2 Schlüsselkonzepte
2.1 Multirationalität
Multirationalität1 ist ein Begriff, der insbesondere vom Autorenteam Schedler & Rüegg-Stürm (2013) geprägt wurde, die sich mit der Frage auseinandergesetzt haben, wie die verschiedenen Rationalitäten, mit anderen Worten die verschiedenen Ansprüche, Zielstellungen, Wünsche sowie Interessen, die innerhalb und außerhalb einer Organisation existieren, zusammengebracht werden können. Sie meinen, dass dauerhaft und zeitgleich immer mehrere dieser Rationalitäten und Logiken existieren und es dabei durchaus auch zu Widersprüchen kommen kann in einer Organisation. All das gilt es zu „managen”, in den Blick zu nehmen und sozusagen als Motivation für die Zusammenarbeit aufzufassen.
Zum Beispiel gibt es verschiedene Fachsprachen in der Einrichtung, d. h. bei professionellem Zusammenarbeiten gibt es unterschiedliche Stakeholder-Interessen. Dies sind die Interessen der Mitarbeitenden, die Sie vertreten, die der Leitung und auch die der Klient*innen.
Es sind noch Rahmenbedingungen der Politik und Ökonomie zu beachten. All das sind unterschiedliche Perspektiven, die immer gleichzeitig betrachtet werden müssen, wenn es um die Aufgabenkoordination und die Lösung von Problemen im Arbeitsalltag geht.
2.2 Hybridität
Neben der Multirationalität gibt es noch ein anderes Prinzip, nämlich das der Hybridität. Dieses geht stärker auf die Autoren Evers & Ewert (2010) zurück. Der Begriff Hybridität kommt aus den Kulturwissenschaften und meint, dass Dinge, die miteinander zusammengeführt werden, ineinanderfließen und dass es zu Überschneidungen kommt. Im Kontext der Sozialwirtschaft geht es dabei um den Einfluss unterschiedlicher, wechselseitig bedingender Werte und Logiken, die aber nicht nur innerhalb einer Organisation existieren, sondern auch zwischen den verschiedenen Sektoren der Gesellschaft vorliegen können. Mit Sektoren der Gesellschaft ist gemeint, dass es einerseits soziale Leistungen im sozialen Markt gibt und gleichzeitig auch der öffentliche Bereich mitgedacht werden muss. Also der Kostenträger bzw. die öffentlichen Einrichtungen, die die angebotenen personenbezogenen sozialen Dienstleistungen finanzieren, sind einzubeziehen. Darüber hinaus kann es auch noch andere gesellschaftliche Interessen geben, nämlich wie die Leistungen angeboten werden und wer die Bedürftigen bzw. Anspruchsgruppen sind. Es sind darüber hinaus auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten, der Bereich der Jurisprudenz, und so könnte man diese Beispiele noch ewig weiterführen.
Was hier zu beachten ist, ist, dass mit Hybridität nicht die des (internen) Organisationsgeschehens betrachtet wird. Vielmehr werden unter diesem Konzept die verschiedenen Sektoren der Gesellschaft – also die Organisationsumwelt – in den Blick genommen. Ein Beispiel stellt hier die Gemeinwesenarbeit dar. Diese kann man als eine „Bearbeitung” und Gestaltung von Hybridität ansehen, weil das Zusammenarbeiten verschiedenster Organisationen, Personen und Gruppen im Vordergrund steht, ob dies nun die Stadt, ein freier Träger oder ein Kommunalverband ist. Hier muss, um ein soziales Problem möglichst von unterschiedlichen Perspektiven anzugehen, die Hybridität beachtet werden, also die Zusammenarbeit von unterschiedlichen Sektoren der Gesellschaft organisiert werden.
2.3 Konsequenzen
Einerseits sind Ressourcen von Sozialunternehmen aus unterschiedlichen Quellen zu nutzen, was oben unter dem Stichpunkt Finanzierungsmix bereits ausgeführt wurde. Zweitens müssen verschiedene Interessensgruppen miteinander ausgehandelt werden. Im Sinne des Partizipationsprinzips und der Beteiligung von unterschiedlichen Interessensgruppen ist es hilfreich, hier auch Selbstvertretungen in Organisationen zu organisieren.
Darüber hinaus muss man die Formalziele mit den Sachzielen abwägen, d. h. auf der einen Seite gibt es natürlich eine Gewinnerzielungsabsicht und am Ende des Jahres muss mindestens plus/minus null erreicht werden. Gleichzeitig muss aber auch der ideelle Auftrag, die Vision und der Unternehmenszweck umgesetzt und erreicht werden (z. B. Betreuungs-, Beratungs- und Bildungsleistungen).
Damit ist gemeint, dass Organisationen nach innen und nach außen vertreten werden müssen und sich eine Organisationsidentität entwickelt: Wofür stehen wir? Was ist unser Auftrag? Wer ist unsere Zielgruppe? All diese Fragen müssen im Leitbild geklärt werden. Damit beschäftigen wir uns noch einmal ausführlicher an späterer Stelle. Beide Konzepte, die Multirationalität und die Hybridität, gewinnen in der Praxis zunehmend an Bedeutung, insbesondere in der Abgrenzung zwischen Einrichtungen und in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen selbst. Aber auch für das Fach Sozialmanagement lässt sich eine Schlussfolgerung ableiten. Dieses zeichnet sich auch durch eine gewisse Hybridität aus (vgl. Abb. 2.1).
Ein Einführungsvideo gibt es an dieser Stelle: https://www.youtube.com/watch?v=L_Mf-tNNFJc↩︎
